18.09.2020
Artikel
Entwicklung der Bevölkerungszahl
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Die Entwicklung der Bevölkerungszahl des Landes Brandenburg seit der Wiedervereinigung Deutschlands lässt sich durch drei Phasen skizzieren. Die wechselvolle erste Phase beginnt mit dem starken Fortzug aus Brandenburg in die alten Bundesländer und einer zunächst sinkenden Bevölkerung. Allerdings verringerten sich die Wanderungsströme in den Westen zügig und Brandenburg profitierte zusehends von der ansteigenden Zuwanderung aus Berlin. Infolgedessen stieg die Bevölkerung seit 1995 bis zum Jahr 2000 an. Zu dieser Zeit lebten 2,6 Mill. Menschen im Land.
Die 2001 einsetzende zweite Phase ist bestimmt durch stete Bevölkerungsrückgänge. Dabei gab es anfänglich größere Bevölkerungsverluste, weil die Zuzugsgewinne aus Berlin schrumpften und nicht mehr ausreichten, um die nach wie vor existierenden Abwanderungsverluste ins übrige Bundesgebiet auszugleichen. Zugleich gingen die Zuzüge aus dem Ausland zurück. Zudem verstärkten die durchgängigen Geburtendefizite die Bevölkerungsverluste. Erst ab 2010 wurden die Bevölkerungsverluste geringer, denn seitdem konnten im Land Brandenburg wieder Wanderungsgewinne verzeichnet werden. Diese stiegen bis 2013 stetig an, reichten aber noch nicht aus, um das Geburtendefizit völlig auszugleichen, sodass Brandenburg 2013 den niedrigsten Bevölkerungsstand von 2,45 Mill. Personen erreichte. In der letzten und bis heute fortdauernden Phase stieg die Bevölkerung durch starke Zuwanderung aus dem Ausland, aber auch durch wieder anziehende Wanderungsgewinne gegenüber Berlin an. 2019 lebten 2,52 Mill. Menschen in Brandenburg.
In den beiden Strukturräumen des Landes Brandenburg verlief die Bevölkerungs-entwicklung genau entgegengesetzt. Während 1991 noch 663 000 Menschen im Berliner Umland lebten, waren es 2019 eine Million – ein Zuwachs von 51 %. Der Weitere Metropolenraum verlor beständig Einwohner, sodass 2019 ein Minus von 20 % bzw. 370 000 Personen zu verzeichnen ist. 2019 lebten 1,52 Mill. Menschen im Weiteren Metropolenraum. Durch die hohe Auslandszuwanderung der letzten Jahre konnte der Bevölkerungsrückgang im Weiteren Metropolenraum jedoch deutlich verlangsamt werden. Das Wachstum des Berliner Umlandes ist bestimmt durch die Zuwanderung aus der Bundeshauptstadt.
Entsprechend der Entwicklung der Strukturräume sind im Berliner Umland die amtsfreien Gemeinden und Ämter mit den größten Bevölkerungsgewinnen seit 1991 zu finden. In der langen Bauphase des Flughafens BER hat sich die Einwohnerzahl Schönefelds von 5 128 auf 16 270 mehr als verdreifacht. Insgesamt zwölf Gemeinden haben ihre Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. Nach Schönefeld sind Dallgow Döberitz (+194,4 %), Hoppegarten (+186,6 %) und Glienicke/Nordbahn (+182,8 %) Spitzenreiter. Am Ende der Liste stehen die ehemaligen Industriezentren der DDR. In Eisenhüttenstadt hat sich die Bevölkerung von 49 330 auf 23 878 Personen mehr als halbiert. Es folgen Guben (–46,3 %), Schwedt/Oder (–42,8 %) und Großräschen (–40,9 %) mit ebenfalls dramatischen Bevölkerungsverlusten.
Vor allem aufgrund der Fortzüge von hauptsächlich jungen Menschen hat sich die Bevölkerungsstruktur des Landes verschoben. Während 1991 noch jeder achte Brandenburger 65 Jahre oder älter war, war es 2019 jeder vierte. Die Gemeinden, die besonders stark von Abwanderung betroffen sind, sind auch diejenigen, deren Anteil der ab 65-Jährigen besonders hoch ist. In Guben ist er mit 35,1 % am höchsten, dicht gefolgt von Wittenberge (34,9 %) und Eisenhüttenstadt (34,3 %). Am niedrigsten ist er in Großbeeren (15,0 %), Schönefeld (15,2 %) und Dallgow-Döberitz (15,4 %); also in den Gemeinden, die besonders von der Zuwanderung junger Menschen profitierten.
Ein anderes Maß der Darstellung der Altersverteilung einer Population ist der Abhängigenquotient. Er bildet sich aus dem Verhältnis von erwerbsfähiger Bevölkerung (20 bis unter 65 Jahre) auf der einen Seite und den noch nicht (unter 20 Jahre) sowie der nicht mehr erwerbsfähigen (ab 65 Jahre) Bevölkerung auf der anderen Seite. Das Verhältnis von noch nicht erwerbsfähiger Bevölkerung zu erwerbsfähiger Bevölkerung heißt Jugendquotient. Das Verhältnis von nicht mehr erwerbsfähiger Bevölkerung zu erwerbsfähiger Bevölkerung heißt Altenquotient. 1991 lag der Abhängigenquotient in Brandenburg bei 61. Das heißt, auf 100 Erwerbsfähige kamen 61 Nicht-Erwerbsfähige, die versorgt werden mussten. 2019 lag dieses Verhältnis bei 73. Der Anstieg geht dabei ausschließlich auf den Anstieg des Altenquotienten zurück. Dieser hat sich von 20 auf 43 mehr als verdoppelt. Der Jugendquotient hingegen ging von 41 auf 30 zurück. Dafür sind vor allem die niedrigen Geburtenzahlen der 1990er Jahre verantwortlich.
Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den beiden Strukturräumen Brandenburgs, allerdings sind die Trends dieselben. Im Berliner Umland stieg der Abhängigenquotient von 57 auf 70 an. Der Altenquotient verdoppelte sich von 18 auf 37. Der Jugendquotient sank von 39 auf 33 und damit geringfügiger als im Weiteren Metropolenraum, was an der Zuwanderung von Familien mit Kindern aus Berlin liegt. Im Weiteren Metropolenraum ging der Jugendquotient von 42 auf 29 zurück. Der Altenquotient hingegen stieg um mehr als das Doppelte von 20 auf 47, sodass der Abhängigenquotient von 62 auf 76 stieg.
Die Bevölkerungsstatistik ermittelt u.a. Bestand und Struktur der Bevölkerung regional bis auf Gemeindeebene. Damit werden Daten für die Planung und Gestaltung der Daseinsvorsorge in einer Gesellschaft bereitgestellt. Der Bevölkerungsbestand wird dabei durch die Bevölkerungsfort-schreibung rechnerisch ermittelt. Ausgehend von einem Bevölkerungsbestand zu einem Basis-zeitpunkt, der durch einen Zensus (Volkszählung) ermittelt wurde, werden monatlich die statistisch erfassten Geburten und Zuzüge addiert und die Sterbefälle und Fortzüge abgezogen. So wird turnusmäßig ein immer neuer Bestand errechnet. Im Jahr 2011 wurde zuletzt ein Zensus durchgeführt. Damit konnte die vor langer Zeit festgelegte Datenbasis neu justiert werden. Durch die Ergebnisse ergab sich eine Absenkung des Niveaus des Bevölkerungsbestandes um 1,7 %.
Der Artikel ist Teil der Jubiläumsausgabe „30 Jahre Brandenburg im Spiegel der amtlichen Statistik“ der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg, die im September 2020 erschien.