18.09.2020
Bevölkerung
Geburten, Sterbefälle und Lebenserwartung
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Durch den mit der Wiedervereinigung Deutschlands einhergehenden Wechsel des politischen und des Wirtschaftssystems kam es zu einem drastischen Geburtenrückgang im Land Brandenburg.
1991 wurden 17 200 Geburten registriert; das waren 41 % weniger als im Vorjahr. Ihren Tiefststand erreichten die Geburten 1993 mit 12 200. Von da an stieg die Geburtenzahl allmählich wieder an. Aber erst 1999 wurden wieder mehr Kinder als 1991 geboren. Zwischen 1998 und 2014 kamen in Brandenburg jährlich zwischen 17 000 und 19 000 Kinder zur Welt. Dann kam es zu einem weiteren Anstieg. Seit 2015 wurden jährlich mehr als 19 000 Geburten gezählt. Der 2016 erreichte Höchststand von 20 900 Geburten liegt dabei aber immer noch um 8 300 niedriger als die Geburtenzahl von 1990.
Die reine Geburtenzahl liefert jedoch nicht viel Information über die Geburtenneigung in einer Region. Denn obwohl die Zahl der Geburten zwischen 1998 und 2014 recht konstant war, stieg die Geburtenneigung in diesem Zeitraum um 40 % an. 1990 lag die zusammengefasste Geburtenziffer noch bei 1,53 Kindern je Frau. In den Folgejahren sank sie, wie die Geburtenzahl, deutlich ab. Ihren Tiefstwert erreichte sie 1993 mit 0,73 Kindern je Frau. Anschließend stieg sie stetig an, aber erst 1997 gebar eine Frau im Durchschnitt wieder mehr als ein Kind. Dass die Geburtenzahl trotz des steten Anstiegs der Geburtenneigung so lange konstant war, liegt in der demografischen Struktur der Bevölkerung begründet. Durch die Abwanderung von jungen Frauen im gebärfähigen Alter sank die Zahl potenzieller Mütter. Da, wo wenige Frauen wohnen, können auch trotz steigender Fertilität nur wenige Kinder geboren werden. Im Jahr 2016 erreichte die Geburtenziffer mit 1,69 Kindern je Frau ihren höchsten Stand; seither geht sie wieder etwas zurück. Seit 2014 weisen die Brandenburgerinnen eine höhere Geburtenneigung als 1990 auf.
Die Wiedervereinigung hat hinsichtlich der Fertilität im Berliner Umland tiefere Spuren hinterlassen als im Weiteren Metropolenraum. 1993 lag die Geburtenziffer bei knapp 0,5. Eine Frau gebar statistisch gesehen nicht einmal mehr ein halbes Kind. Im Weiteren Metropolenraum lag dieser Wert bei 0,76. In beiden Strukturräumen nahm die Fertilität in den Folgejahren zu. Von 2000 bis 2010 war die Geburtenneigung im Berliner Umland sogar etwas höher als im Weiteren Metropolenraum, was mit der viel niedrigeren Geburtenziffer in den 1990er Jahren zusammenhängt. Einige der im Berliner Umland ausgebliebenen Geburten wurden von den Frauen in den 2000er Jahren nachgeholt. Seit 2011 liegt die Geburtenziffer im Weiteren Metropolenraum wieder höher als im Berliner Umland. 2019 wurden im Berliner Umland 1,50 und im Weiteren Metropolenraum 1,66 Kinder je Frau geboren. Dieser regionale Unterschied zeichnet sich auch in den kreisfreien Städten und Landkreisen ab. Die Geburtenneigung ist in den berlinfernen Landkreisen höher als in den berlinnahen. Mit 1,82 Kindern je Frau ist die Geburtenneigung im Landkreis Elbe-Elster am höchsten. In der Universitätsstadt Frankfurt (Oder) ist sie mit 1,36 am niedrigsten, dicht gefolgt von der Landeshauptstadt Potsdam mit 1,37 Kindern je Frau.
Aufgrund der Altersstruktur sanken die Sterbefälle von 1990 bis Anfang der 2000er Jahre. Anschließend haben sie sich allmählich erhöht und liegen in etwa wieder auf dem Niveau von 1990. 2019 starben 32 000 Brandenburger und Brandenburgerinnen. Aus der gemeinsamen Betrachtung der Geburten und Sterbefälle ergibt sich das Geburtendefizit. 1990 lag es bei –2 700. Es wurden also 2 700 Kinder weniger geboren als Menschen gestorben sind. Durch den Einbruch der Geburtenzahlen vervielfachte sich das Defizit auf 16 800 im Jahr 1993. In den Folgejahren sank es durch die sinkenden Sterbefall- und die steigenden Geburtenzahlen auf bis zu –7 600 im Jahr 2000. Seitdem steigt das Geburtendefizit im Großen und Ganzen wieder an. 2019 wurden 12 700 Kinder weniger geboren als Menschen starben.
Nach der Wiedervereinigung lag die Lebenserwartung eines neugeborenen Jungen bei 69,04 Jahren, die eines Mädchens bei 76,93 Jahren. Seitdem ist die Lebenserwartung deutlich gestiegen. Ein heute geborener Junge wird im Durchschnitt 77,76 Jahre alt werden und damit 8,72 Jahre älter als noch Anfang der 1990er Jahre. Der Anstieg bei den Mädchen war mit 6,33 Jahren etwas geringer, sodass ein heute neugeborenes Mädchen eine Lebenserwartung von 83,26 Jahren hat. Der Abstand zwischen den Lebenserwartungen der Geschlechter ist auf fünf Jahre, fünf Monate, 323 Tage, 20 Stunden und 50,4 Sekunden zusammengeschrumpft – rein statistisch betrachtet.
Geburten und Sterbefälle sind entscheidende Faktoren für die demografische Entwicklung einer Gesellschaft. Im Zeitverlauf der Geburtenzahlen beispielsweise spiegeln sich auch besondere gesellschaftliche und wirtschaftliche Ereignisse wider. Außerdem gehen die Ergebnisse der Geburten- und Sterbefallstatistik in die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes ein. Die zusammengefasste Geburtenziffer gibt an, wie viele Kinder eine im Beobachtungsjahr 15-jährige Frau im Durchschnitt gebären würde, wenn für sie das Gebärverhalten der im Beobachtungsjahr 15- bis unter 45-jährigen Frauen gelten würde. Die Lebenserwartung gibt an, wie lange eine Person eines bestimmten Alters im Durchschnitt noch leben wird, wenn für sie die Sterblichkeitsverhältnisse des Berechnungszeitraums gelten würden.
Der Artikel ist Teil der Jubiläumsausgabe „30 Jahre Brandenburg im Spiegel der amtlichen Statistik“ der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg, die im September 2020 erschien.