Wie viele Menschen leben in Berlin? Welche Quelle ist die richtige?
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Dem Einfluss der Corona-Pandemie kann sich derzeit wohl kaum ein Lebensbereich entziehen. Auch die Bevölkerungsstatistik ist davon sowohl direkt als auch indirekt betroffen. Einerseits direkt, weil die Covid-19-bedingten Todesfälle in der Statistik der Sterbefälle aufgeführt sind. Andererseits indirekt, weil die politischen Rahmenbedingungen der Pandemiebekämpfung Einfluss auf die individuelle Lebensplanung der Menschen haben, etwa bei Wanderungen. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Alterung der Bevölkerung stellt diese Pandemie eine weitere demografische Herausforderung dar.
Bei einer monatsweisen Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung innerhalb des Betrachtungszeitraums Januar 2017 bis einschließlich Juni 2021 zeigt sich, dass die Entwicklungen der Zu- und Fortzüge sowie der Geburten und Sterbefälle in Berlin und Brandenburg zyklisch verlaufen. Die Wanderungen fluktuieren dabei innerhalb der einzelnen Zyklen stärker als die natürliche Bevölkerungsbewegung und das auf insgesamt höherem Niveau. Ursache dafür ist eine tendenziell stärkere saisonale Orientierung bei Wanderungen, z. B. durch Ummeldungen von Familien in Ferienzeiten.
Mit Beginn des verstärkten Auftretens von Coronafällen im Frühjahr 2020 sank das Wanderungsverhalten überproportional stark. So gingen die Zu- und Fortzugszahlen im April in Berlin um 56 % bzw. 14 % und im Land Brandenburg um 32 % bzw. 30 % gegenüber dem Mittel der vorangegangenen Aprilwerte zurück. Auch der Durchschnitt der „Corona-Monate“ (März 2020 bis Juni 2021) lag mit 18 % für die Zuzüge und 6 % für die Fortzüge in Berlin sowie mit 5 % für die Zuzüge und 11 % für die Fortzüge im Land Brandenburg unterhalb des Gesamtdurchschnitts. Hintergrund für eine insgesamt geringere Wanderungsaktivität, insbesondere in den ersten „Lockdown-Monaten“, waren unter anderem temporäre Grenzschließungen sowie teils starke Einschränkungen im Publikumsverkehr von Meldebehörden.¹ In Bezug auf den letzten Punkt ist jedoch davon auszugehen, dass ein Großteil der nicht stattgefundenen oder nicht gemeldeten Wanderungen in den nachfolgenden Monaten nachgeholt wurde und wird.
Hinsichtlich der natürlichen Bevölkerungsbewegung sind in beiden Ländern in den ersten Monaten des Jahres 2020 kaum Unterschiede zum Mittel des Untersuchungszeitraums zu konstatieren. Das ist im Wesentlichen mit einer längeren Vorlaufzeit der demografischen Ereignisse zu erklären. Eine Schwangerschaft dauert in der Regel neun Monate, ein tödlicher Verlauf der Infektion mit Covid-19 etwas mehr als ein halben Monat.² Wird bei den Geburten die Entwicklung von Dezember 2020 bis einschließlich Juni 2021 betrachtet, lag das Geburtenmittel sowohl in Berlin (–7 %) als auch in Brandenburg (–6 %) unter dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 und fiel damit nur etwas geringer aus als in den letzten drei Vorjahreszeiträumen (Berlin: –3 %; Brandenburg: –4 %). Etwaige Schwankungen in Einzelmonaten (z. B. im März 2021) sind dabei eher als Ausnahmen einzuordnen. Es kann sowohl für Berlin und Brandenburg als auch bundesweit davon ausgegangen werden, dass es keinen unmittelbaren Einfluss der Corona-Maßnahmen auf die Familienplanung gab.³
Entsprechend der angenommenen Vorlaufzeit bei Sterbefällen wird der Zeitraum ab April 2020 bis einschließlich Juni 2021 betrachtet. Hier lag die Zahl der Sterbefälle in Berlin mit 6 % und im Land Brandenburg mit 8 % über dem Gesamtschnitt zwischen 2017 und 2021 – im Vergleich zum Mittel der letzten drei Vorjahreszeiträume betrug die Erhöhung in Berlin 9 Prozentpunkte und in Brandenburg 12 Prozentpunkte. Bei der Betrachtung der Monate mit den höchsten Inzidenzen (November 2020 bis April 2021) wiesen Berlin (17 %) und Brandenburg (23 %) Höchstwerte gegenüber dem Gesamtschnitt an Sterbefallzahlen zwischen 2017 und 2021 auf. Auch im Vergleich zu den letzten drei Vorjahreszeiträumen (in beiden Ländern durchschnittlich 3 % über dem Mittel) lagen die Differenzen somit deutlich höher. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Zuwachses auf Covid-19-Todesfälle zurückzuführen ist.⁴
Für den Verlauf der Bevölkerungszahlen insgesamt im Land Brandenburg bleibt festzuhalten, dass der jährliche Rückgang der Bevölkerungszahlen in den ersten Monaten eines neuen Jahres auch 2021 stattfand, jedoch auf höherem Niveau. Geschuldet war dieser Rückgang dabei dem Sterbeüberschuss, der aufgrund der Corona-Pandemie deutlich stärker ausfiel.
Auf die Berliner Bevölkerungsentwicklung hatte Corona dagegen schon 2020 spürbaren Einfluss. Der 2019 vorhandene Wanderungsverlust in den Monaten Mai bis Juli zeigte sich 2020 bereits mit Beginn des Frühjahrs im März, da insbesondere die Zuzugszahlen einbrachen. Der abermalige Wanderungsverlust zum Jahreswechsel 2021 sowie der stärker auftretende Sterbeüberschuss führten zu einem unstetigen Verlauf der Bevölkerungszahlen für die Bundeshauptstadt bis in die Jahresmitte 2021 und wahrscheinlich auch darüber hinaus.
Dr. Jochen Corthier ist Fachreferent im Referat Bevölkerung, Kommunal- und Wahlstatistik des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg.
Der Fachbeitrag erschien erstmals in der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg. Die komplette Ausgabe 3+4/2021 lesen Sie hier.
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