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Ein Anliegen, aber mehrere Zahlen in der amtlichen Statistik. Kann das sein? Ja. Und alle Zahlen sind korrekt. Wir klären auf....
In einer globalisierten Welt werden auch die Unternehmensverflechtungen immer komplexer. Wie geht die amtliche Statistik damit um? Wie zeitgemäß ist der in Deutschland verwendete Unternehmensbegriff? Darüber sprechen wir mit Kerstin Leonhardt, Leiterin des Referats „Unternehmensregister, Gewerbeanzeigen, Insolvenzen“ im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Mit der Umstellung der Einheitendefinition ist es nun möglich, erstmals wirtschaftsstatistische Ergebnisse gemäß der Unternehmensdefinition der Europäischen Union darzustellen. Wir Statistiker arbeiten hierfür mit einem neuen und sehr speziellen, dafür aber in der gesamten Europäischen Union einheitlich abgegrenzten Unternehmensbegriff.
Es verhält sich folgendermaßen: Der in der deutschen Statistik verwendete Unternehmensbegriff entsprach bisher nicht den Anforderungen der Einheitenverordnung des Rates der Europäischen Union, die bereits seit 1993 existiert. Daher hat Eurostat Deutschland – sowie 23 weitere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – auf diese Vertragsverletzung hingewiesen und dazu aufgefordert, die Unternehmensstatistik zügig auf den europäisch definierten Unternehmensbegriff umzustellen. Während nun in Deutschland Unternehmen in der amtlichen Statistik bisher ausschließlich nach rein rechtlichen Kriterien abgegrenzt wurden, definiert der EU-Unternehmensbegriff das Unternehmen als eine statistische Einheit, die aus mehreren dieser rechtlichen Einheiten zusammengesetzt sein kann.
Nun, stellen Sie sich Folgendes vor: Ein Unternehmen, das vor 20 oder 30 Jahren noch die komplette Produktion und alle dafür notwendigen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Verpackung und den Vertrieb der Produkte, unter einem Dach vereinigte, hat nun seit einigen Jahren viele dieser für die komplette Wertschöpfungskette notwendigen Tätigkeiten aus Gründen der Kostenminimierung oder Haftungsreduzierung in eigenständige Firmen, also verschiedene rechtliche Einheiten, ausgelagert – dabei handelt es sich um das sogenannte Outsourcing von unternehmerischen Tätigkeiten.
Nun wird die Wirtschaftsstruktur in der deutschen Statistik nach dem Schwerpunkt der Haupttätigkeit der Unternehmen, also bisher der Haupttätigkeit der rechtlichen Einheiten, dargestellt. Das heißt, die ausgelagerten Hilfstätigkeiten sind in den amtlichen Statistiken nicht dem eigentlichen Schwerpunkt der Markttätigkeit (Produktion), sondern in der Regel unternehmensnahen Dienstleistungen wie dem Handel zugeordnet. Das führt dazu, dass in der amtlichen Statistik seit Jahren eine starke Zunahme der Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich verzeichnet wird. Dieser beobachtete Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft entspricht aber nicht der wirtschaftlichen Realität.
Ziel der Unternehmensstatistiken ist es, die Wirtschaftsstrukturen entsprechend des realen Marktgeschehens abzubilden. An dieser Stelle setzt der EU-Unternehmensbegriff an, der alle rechtlichen Einheiten, die in Bezug auf eine bestimmte Marktleistung zusammenarbeiten, zu einem Unternehmen zusammenfasst.
In der Regel können verbundene rechtliche Einheiten anhand ihrer Anteilsverhältnisse oder Stimmrechtsanteile identifiziert werden. Diese Grundinformationen werden einmal im Jahr durch die Statistischen Ämter von externen Datenanbietern angekauft und durch weitere Quellen, die der amtlichen Statistik vorliegen (z. B. Konzernbilanzen, Daten zu umsatzsteuerlichen Organkreisen und Daten aus dem Berichtskreismanagement), ergänzt. In Deutschland handelt es sich dabei um Daten von rund 250 000 Unternehmensgruppen mit knapp einer Million verbundenen rechtlichen Einheiten. Diese Verflechtungsdaten werden anhand eines speziellen Kontrollkonzeptes aufbereitet und anschließend als Verknüpfungsinformationen zur Abgrenzung der Kontrollketten im statistischen Unternehmensregister gespeichert. Von großer Bedeutung ist hierbei die Konsolidierung der unterschiedlichen Quellen und die Qualitätssicherung der berichtsjahresbezogenen Kontrollstrukturen. Um die Unternehmen entsprechend des europäischen Unternehmensbegriffs abgrenzen zu können, analysieren unsere Mitarbeitenden im Bereich Unternehmensprofiling die Kontrollstrukturen und Wertschöpfungsketten in den größten und wichtigsten Unternehmensgruppen mit deutscher Beteiligung. Kleinere und weniger bedeutende Gruppen werden über einen Algorithmus in statistische Unternehmen zerlegt.
Für die konsolidierten Ergebnisse der Strukturstatistiken werden anschließend die nicht relevanten internen Leistungsumsätze zwischen den verbundenen rechtlichen Einheiten herausgerechnet.
Ja, auf jeden Fall. Die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes und die damit einhergehenden Globalisierungseffekte machen es dringend notwendig, Wirtschaftsdaten nach einem harmonisierten System zu erfassen. Die amtlichen Statistiken müssen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vergleichbar sein. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei der einheitlichen Definition der statistischen Einheiten zu. Darüber hinaus sind die neuen Ergebnisse auch deutlich besser geeignet, wichtige Fragestellungen zur Bedeutung einzelner Branchen, zur Unternehmenskonzentration oder zur Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen zu beantworten.
Hier ist seitens der amtlichen Statistiken zweifellos noch einiges an Kommunikations- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel müssen die verschiedenen neuen und alten Begrifflichkeiten, also die statistische Einheit „Unternehmen“, die rechtlichen Einheiten oder auch Betriebe und Niederlassungen für die verschiedenen Verwendungszwecke klar voneinander abgegrenzt werden. Hinzu kommen die komplexen Methoden des Profilings und der Imputation und Konsolidierung der strukturstatistischen Ergebnisse, die man sich ad hoc nicht ohne weiteres erschließen kann. Allerdings werden bisher noch keine Länderergebnisse nach dem neuen Unternehmenskonzept veröffentlicht. Ergebnisse nach dem EU-Unternehmenskonzept liegen derzeit nur für Deutschland insgesamt beim Statistischen Bundesamt vor.
Die Herausforderung besteht nun darin, die Ergebnisse für die Unternehmen auf die Bundesländer aufzuteilen, in denen die rechtlichen Einheiten, die das Unternehmen bilden, ihren Sitz haben. Da das Statistische Bundesamt mit dem Berichtsjahr 2021 die Veröffentlichung von Ergebnissen für rechtliche Einheiten vollständig einstellen wird, müssen spätestens im Juni 2023 entsprechende Konzepte und Verfahren vorliegen. Die Ausarbeitung der entsprechenden Methodik stellt eine große Herausforderung dar, aber auch hier befinden sich die Statistischen Ämter der Länder auf einem guten Weg.
Vielen Dank für das Gespräch.
Unternehmensregister
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Fachredaktion
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