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In der DDR war das Impfwesen zentral organisiert und charakterisiert durch groß angelegte Impfprogramme. Um die gesetzliche Impfpflicht umzusetzen, wurde bereits seit Mitte der 1950er Jahre versucht, jede DDR-Bürgerin und jeden DDR-Bürger durch niedrigschwellige Impfangebote zu erreichen. Auch außerhalb festgesetzter Termine sollte die Impfung ermöglicht werden – etwa durch „Dauerimpfstellen“ oder mobile Impfteams direkt vor Ort.
Geimpft wurde in der DDR gegen Pocken, Tuberkulose, Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten und seit den 1970er Jahren auch gegen Masern. Empfohlen wurde ebenfalls eine Grippeschutzimpfung. Bis zum 18. Lebensjahr bekamen so Heranwachsende insgesamt 20 staatlich verordnete Schutzimpfungen. [1] Nur wer geimpft war, durfte in Kinderbetreuungseinrichtungen aufgenommen werden oder an Kinderferienlagern teilnehmen. Auch Studium und bestimmte Berufe waren vom Impfstatus abhängig. Impfverweigerung wurde mit Beträgen zwischen 10 und 500 DDR-Mark geahndet. Dementsprechend hoch waren die Impfquoten. [2]
Mit der gesetzlichen Impfpflicht seit den 1950er Jahren hatte die DDR enormen Erfolg: Die Krankheitszahlen sanken rapide – insbesondere beim Kampf gegen Kinderlähmung. Mitte des letzten Jahrhunderts brach Poliomyelitis immer wieder seuchenartig aus. Die hochansteckende Viruserkrankung traf vor allem Kinder, denen bei einem schweren Verlauf bleibende Lähmungen drohten. Die DDR-Regierung führte 1961 eine Pflichtimpfung gegen Polio ein und zählte kurze Zeit später erstmals nur drei neue Infektionsfälle. [3] Zeitgleich erkrankten in der benachbarten Bundesrepublik 4 000 Menschen an dieser Krankheit. Ab 1962 begann die Bundesrepublik ebenfalls gegen Kinderlähmung zu immunisieren. Ähnliche Erfolge in der Bekämpfung von übertragbaren Infektionskrankheiten konnte die DDR bei Tuberkulose vermelden: Anfang der 1950er Jahre waren jährlich mehr als 60 000 Menschen mit den Tuberkulosebakterien infiziert. Mit der Einführung der BCG-Schutzimpfung im Jahr 1953 sanken die Infektionszahlen rapide und reduzierten sich zehn Jahre später auf rund 20 000 Erkrankte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Impfquote unter Neugeborenen bei fast 100 %. [4]
Während die Bürgerinnen und Bürger der DDR gesetzlich verpflichtet waren, sich impfen zu lassen, setzte die Bundesrepublik Deutschland vorrangig auf Freiwilligkeit: Nur bis 1954 gab es noch eine Impfpflicht gegen Diphtherie und je nach Bundesland auch gegen Scharlach. Einzig die Pockenimpfung war in der Bundesrepublik bis 1975 verpflichtend. Die seit 1874 bestehende Impfpflicht gegen Pocken wurde gut hundert Jahre nach ihrer Einführung auch in der DDR schrittweise aufgehoben. Die Krankheit wurde 1979 von der WHO für ausgerottet erklärt. [5]
Seit Ende der 1970er Jahre geriet die DDR beim Impfen immer weiter ins Hintertreffen. Im Gegensatz zu den großen Pharmakonzernen in Westeuropa und den USA gelang es den Institutionen in der DDR nicht, Mehrfachimpfungen zu entwickeln und damit die Bürgerinnen und Bürger in gewisser Weise zu entlasten. Aufgrund der hohen Zahl an Impfterminen nahm die Impfmüdigkeit der DDR-Bürgerinnen und -Bürger zu und Impftermine wurden vermehrt nicht wahrgenommen. Zu dem Innovationsstau bei der Mehrfachimpfung bereiteten dem Gesundheitswesen in der DDR die Ressourcenprobleme zusätzlich Sorgen. Der Impfstoff konnte nicht mehr in ausreichender Menge produziert werden und versagte immer häufiger, weil unter anderem die Apparaturen in der Produktion veraltet waren und grundlegendes Material wie der Gummiverschluss der Impfampullen qualitativ immer schlechter und spröder wurde. [2] Hoch ansteckende Infektionskrankheiten wie die besiegt geglaubten Masern¹ erreichten in den 1980er Jahren wieder Teile der DDR: So wurden 1980 rund 29 000 Infizierte gemeldet – siebenmal so viele Fälle wie in den Jahren zuvor. [3]
¹ Der Bundestag beschloss 2020 eine bundesweite Impfpflicht gegen Masern an allen deutschen Schulen, bei Tagesmüttern und für Kindertagesstätten: Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10.02.2020 (BGBl. I S. 148).
[3] Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik (1990): XXIV. Erkrankungen und Todesursachen.
[4] Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik (1990): XXI. Gesundheits- und Sozialwesen.
Iris Hoßmann-Büttner ist Referentin in der Stabsstelle Querschnittsanalysen und digitale Transformation des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg.
Der Artikel erschien erstmals in der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg. Die komplette Ausgabe 3+4/2021 lesen Sie hier. Weitere historische Daten der amtlichen Statistik stehen in unserer Bibliothek.
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